Was können Firmen mit diesen Erkenntnissen anfangen?
Das gesellschaftliche Potenzial liegt in der Reflektion dieser Zusammenhänge. Um sie entweder bewusst anzunehmen oder sie zu hinterfragen. Wenn wir wollen, dass Tech geschlechtsneutraler oder gar weiblicher wird, müssen wir noch stärker daran arbeiten, Mädchen und Frauen die Ausbildung in diesen Bereichen und den Zugang zu dieser Industrie zu erleichtern.
Aus meiner Erfahrung mit Kunden ist das in der Tech-Industrie verstanden. Es fehlt aber an weiblichen Bewerbern. Unsere Lebensrealität wird immer mehr von Tech beeinflusst. Wenn wir nicht wollen, dass sich weiterhin in diesem Bereich eine mono-geschlechtliche Gestaltungs-Macht zementiert, müssen wir da ran.
Sie waren 14 Jahre lang für Unilever tätig. Welche Erfahrungen haben Sie dort mit Diversity gemacht?
Ich persönlich habe Unilever als einen Arbeitgeber erlebt, der sich des Themas Diversity vorbildhaft angenommen hat. Anerkennend, dass die Weltbevölkerung überwiegend weiblich ist, galt damals der Grundsatz: Unilever muss diese globale Geschlechterverteilung (und damit Konsumentenverteilung) spiegeln, um den Bedürfnissen der Konsumenten gerecht werden zu können.
Auch Portraits weiblicher Führungskräfte, die ganz offen und ehrlich aussprachen, dass Mutterschaft und Topmanagement manchmal NICHT miteinander vereinbar sind, haben mir geholfen, eine ambitionierte Karrierevision zu entwickeln, die in die Realität passt.
Bei Landor müssen wir über das Thema gar nicht erst sprechen: Beinduckende und inspirierende Frauen ziehen sich durch unser Unternehmen durch alle Stufen hindurch - mit Jane Geraghty als CEO an der Spitze von Landor Associates.
Welche Tendenzen beobachten Sie jetzt in der Beratung bei Ihren Kunden?
Es ist Realität, dass bei unseren Kunden in der Mehrzahl Männer in den Vorständen sitzen. Teilweise ist das historisch gewachsen, weil die Industrie schon immer mehr Männer angezogen hat. Andererseits haben Reorganisationen weibliche Führungskräfte in andere Geschäftsbereiche geführt oder es wurde einfach nicht darüber reflektiert. Verallgemeinerungen bringen hier nicht viel, jede Geschäfts- und Bewerbersituation ist unterschiedlich.
Ich bin trotzdem davon überzeugt, dass mehr Geschlechter-Diversity in den Chef-Etagen absolut wünschenswert ist. Frauen - und ich benutze bewusst den Plural, denn die eine HR-Quoten-Geschäftsführerin alleine schafft noch kein Entscheider-Klima von Diversity - verändern die Dynamik in einem Team.
In meiner – zugegebenermaßen völlig subjektiven - Wahrnehmung bringen Frauen nicht unbedingt mehr Emotion, dafür aber oft einen anderen Anspruch an Führungsverhalten in die Vorstandsräume. In Zeiten, in denen junge Mitarbeiter schwer zu bekommen und noch schwerer zu halten sind, ein vital wichtiges Thema, um Wachstum zu generieren.
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