Schlecht gepflegte Marken werden austauschbar
Aber aus dem reinen Klickerfolg zu schließen, dass nun jede Marke unabhängig von ihrem Markenkern Promi-Pos zeigen müsste, ist in meinen Augen einfach nur dumm. Das wäre ja so, als würde eine Premium-Automarke im eigenen Blog nur noch über die Kardashians schreiben. Denn das liefert ja so viel schönen SEO-Traffic…
Ich bin mir sicher: Eine schlechte Markenpflege und falsch verstandenes Growth Hacking sorgen dafür, dass Marken austauschbar werden. Verwechselbar. Irrelevant. Wenn Leser, Kunden, Nutzer heute sagen, "Das habe ich auf Facebook gelesen" und nicht mehr wissen, wer der eigentliche Absender oder Produzent des Inhalts war, ist jede Form von Journalismus und Content Marketing so gut wie sinnlos.
Marken müssen sich wandeln. Aber strategisch
Auch wenn sich das vielleicht so lesen mag, bin ich kein Lordsiegelbewahrer althergebrachter Marken. Ich bin sogar überzeugt, dass sich Marken in den heutigen Zeiten dringend ändern, anpassen und modernisieren müssen. Gerne mit einer neuen und überraschenden Form von Inhalten. Auch für andere Zielgruppen und Altersklassen. Aber strategisch. Ganzheitlich. Unverwechselbar.
Medienmarken können hier vielleicht sogar etwas von Unternehmens-Marken lernen. Denn in aller Regel sind hier echte Markenstrategen am Werk, die alles tun, damit die eigene Marke strahlt und über die Jahre ihren Wert behält.
Meaningful Interactions für relevante Klicks und nachhaltige Markenbildung
Der Konflikt liegt vor allem in einem bleibenden Grundprinzip von Facebook: Der Algorithmus bewertet und belohnt Interaktionen, also Shares, Likes, Kommentare, Views und Klicks. Wer das weiß, ist schnell versucht, Promi-Hintern oder auch mal Skateboard fahrende Hunde zu posten, um den schnellen Reichweitendrachen zu reiten.
Als Markenverantwortlicher sollte man sich allerdings fragen, ob sportliche Tiere und sexy Promi-Pos wirklich relevante Interaktionen bringen. Wer so denkt, wird verstehen, warum ich Mark Zuckerbergs "Meaningful Interactions" als Gedankenkonstrukt grundsätzlich spannend finde. Denn alles was wir professionell auf Facebook betreiben, sollte doch eigentlich "meaningful" sein…
Mechanismen von Trash-Content für Qualitäts-Content nutzen
Die große Kunst ist es, die Mechanismen des gut klickenden Trash-Contents auf hochwertigen Marken-Content zu übertragen, ohne die Marke zu schädigen. Man braucht dazu sehr viel Markenverständnis und einen mutigen Ansatz bei der Interpretation der Marke in den sozialen Medien, verbunden mit inhaltliche Expertise und grundlegendem Wissen über die Gesetze von Social Media und SEO.
Dazu gehört auch die Einsicht, dass wir es niemals oder zumindest fast nie schaffen werden, mit hochwertigem Marken-Content Kim Kardashians Hinterteil vom Reichweiten-Thron zu stoßen. Auch wenn sich die Gesetze im Reich von Google und Facebook regelmäßig ändern.
Facebook lernt mit, während man die Marke zerstört
Übrigens habe ich mir die eingangs erwähnte Facebook-Seite nach dem desaströsen Vortrag über ein Jahr lang als Erstes in meinem Newsstream anzeigen lassen. Es war eine echte Leidenszeit, aber ich wollte wissen, ob es vielleicht doch ein Umdenken gibt.
Die Antwort: Nein, von dem, für das diese Marke einmal stand, ist fast nichts übriggeblieben. Ein erneuter Schwenk hin zum alten Markenkern wäre jetzt vermutlich auch das Falsche. Denn längst hat Facebook gelernt, welcher "Lookalike Audience" es die Inhalte zeigen muss – und diese Zielgruppe hat vermutlich sowieso noch nie von der ursprünglichen Marke gehört, während die alten Fans vermutlich das gleiche getan haben, wie ich neulich: Ich habe die Seite aus meinem Newsstream verbannt.
Du bist anderer Meinung? Ich habe was vergessen? Dann kontaktiere mich gerne auf LinkedIn, Xing oder Twitter. :-)
Zum Autor: Wer sich mit dem Thema digitales Content Marketing beschäftigt, kommt dabei kaum an Karsten Lohmeyer vorbei. Der 45-Jährige arbeitete lange Jahre als Journalist, gründete das bekannte Medienblog LousyPennies.de und baute von 2014 bis 2018 als Chief Content Officer und Mitglied der Geschäftsleitung die Telekom-Content-Marketing-Tochter The Digitale mit auf. Heute ist er als freier Berater und Realisator von komplexen Content-Marketing-Projekten tätig.