So entstanden Edmond und eine ganze Belamy-Dynastie. Zum Frust von Robbie Barrat. Der US-amerikanische Künstler und Entwickler hatte den Algorithmus zwar als Open Source zur freien Verwendung ins Netz gestellt. Der Auktionserlös von Christie's ging aber zu den Obvious-Tüfftlern nach Paris. Die hatten das Werk von einem Teil des Algorithmus signieren lassen: min G max D Ex[log(D(x))]+Ez[log(1-D(G(z)))]. Die Urheberrechtsfrage hat allerdings keinen digitalen Ursprung. Schon bei Ready-mades wie Marcel Duchamps berühmter "Fontaine" stellte sich die Frage, welche Rechte noch beim industriellen Hersteller etwa eines zur Kunst erklärten Urinals liegen.
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Ein "neuer" Rembrandt, den der Meister nie malte
Ortswechsel: An der Universität Delft entstand "The next Rembrandt".
Dort wurden die Rechner mit Porträts von Rembrandt van Rijn (1606-1669) gefüttert. Erfasst wurde selbst die Pinselstrichtechnik des Niederländers. Auf der Basis erstand vor drei Jahren per 3D-Druck ein atemberaubend "neuer" Rembrandt, den der Meister nie malte.
Thomas Christian Bächle, am Berliner Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft mitverantwortlich für Forschungen zur "Entwicklung der digitalen Gesellschaft", können "Belamy" oder "Next Rembrandt" nicht wirklich überzeugen. "Das ist interessant in der Art und Weise, wie es in Szene gesetzt wird, eine ganz neoliberale Marktlogik, Aufmerksamkeitsökonomie und dazu der Skandal mit der Frage, ob das jetzt ein Plagiat ist und wem das gehört." Für Meilensteine fehlt dem Medienwissenschaftler die Idee der Zäsur, etwas radikal Neues dahinter.
Bächle meidet im Gespräch auch den KI-Begriff, "weil die Erwartung geweckt wird, dass es ein Kontinuum gibt zwischen menschlicher und maschineller oder künstlicher Intelligenz. Als wären es Ausprägungen ein und desselben Gegenstands." Im Schaffensprozess wird läut Bächle versucht, menschliche Handlungsmacht auszulagern an die Maschine.
Die KI-Welt der Kunst hat viele verschiedene Knöpfe
Doch hält es der Wissenschaftler für problematisch, "wenn man den Begriff Künstliche Intelligenz für bare Münze nimmt" und sagt: "Da ist schöpferische Intelligenz, irgendein Bewusstsein dahinter und dann passiert etwas Neues. Nein! Da hat irgendein menschlicher Künstler diese Installation so eingerichtet und drückt auf den Startknopf."
Die KI-Welt der Kunst hat viele verschiedene Knöpfe: In München arbeitet Hell Gette bei ihren preisgekrönten Papierarbeiten #digitalanalog mit einer App auf dem Smartphone, die sie Emojis in Landschaften integrieren lässt. Die digitalen Werke bearbeitet sie nach Ausdruck noch analog.
Komplexer wird es beim in Berlin arbeitenden Künstler Roman Lipski: Er und sein Partner Florian Dohmann von der Künstlerinitiative YQP präsentierten ihre Zusammenarbeit während der jüngsten Münchner Digitalkonferenz UBX als "echte Partnerschaft zwischen einem Maler und künstlicher Intelligenz".
Maschine und Maler inspirieren sich gegenseitig
Lipski gab der Maschine, die er inzwischen seine "Muse" nennt, neun gemalte Varianten einer Landschaft in Kalifornien vor. Dohmanns Rechner warf darauf seine Ideen zu diesem Thema aus, die wiederum den Maler zu neuen Interpretationen inspirierten. Die immer neuen Ideen des Rechners sind als Stream online zu sehen. Der Name von Lipskis eigener Serie entspricht ihrem Ziel: "unfinished".
Ähnlich arbeitet das Aican-Netzwerk, das eigene Arbeiten auf Basis von mehr als
100 000 Kunstwerke ausdruckt. Der Münchner Künstler Mario Klingemann hat einen KI-Spiegel entworfen, in dem Betrachter als ihr eigenes Bild erscheinen und agieren.
Wissenschaftler Bächle sieht in der KI-Entwicklung auch eine
Rückbesinnung: "Der KI-Stempel sorgt dafür, dass klassische ästhetische Kategorien innerhalb des marktwirtschaftlich orientierten Kunstsystems wieder gestärkt werden. Indem Fragen gestellt werden
wie: Was ist Kreativität? Was ist der Künstler? Wer ist denn der Urheber? Die Bedeutung, die vermutet wird hinter KI und Kunst, führt eigentlich wieder genau zurück zu diesen uralten Fragen."
Fragen hinterlassen auch die Tulpen von Anna Ridler und David Pfau: Die videorealistischen, im Rechner generierten Blumen wurden online versteigert. Doch wie die Vorbilder welkt auch die Kunst dahin - und ist nach einer Woche verschwunden im digitalen Nirwana.
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