Viele Menschen empfinden es manchmal als unangenehm, mit dem Arzt über ein Problem zu sprechen - bei bestimmten Geschlechtskrankheiten zum Beispiel. Laut den Erfahrungen von Fernarzt.com ist die Telemedizin für solche Behandlungsgebiete eine geeignete Alternative.
Zuerst wählt der Patient auf der Startseite die gewünschte Behandlung aus. Dann muss er einen medizinischen Fragebogen ausfüllen, der auf das Behandlungsfeld zugeschnitten ist. Hier wird zum Beispiel nach Symptomen, historischen oder erbbedingten Erkrankungen und aktuell eingenommenen Medikamenten und Nebenwirkungen von bisherigen Präparaten gefragt. Der Patient wählt dann aus einer Liste von möglichen Medikamenten eines aus. Der Arzt prüft anhand der Angaben, ob die Behandlung notwendig und das Medikament verträglich ist.
In der Regel dauert es weniger als einen Werktag bis der Arzt die Diagnose und mögliche Verschreibung vorgenommen hat. Kommt es auch mal vor, dass das Rezept abgelehnt wird? "Ja, das kommt etwa in einem Drittel aller Fälle vor. Dann erhält der Patient eine E-Mail mit einem entsprechenden Bescheid und den Gründen dafür", erklärt Wobi.
Die Mission hinter dem Start-up
Dr. Ahmed Wobi und sein Team haben Fernarzt.com gegründet, um den Zugang zu medizinischer Versorgung für bestimmte Krankheiten zu verändern und schnelle, diskrete Hilfe zu ermöglichen.
Die Telemedizin soll vor allem Menschen einen Mehrwert bieten, die Schwierigkeiten haben, einen Arzttermin wahrzunehmen, weil sie vielleicht in ihrer Mobilität eingeschränkt sind oder es ihnen einfach an Zeit mangelt, auf einen Termin und dann erneut in der Praxis zu warten. Die Mission: die Effizienz des Gesundheitssystems verbessern. "Wenn der Arzt den Patienten beim Praxisbesuch nicht physisch untersucht, kein Blut abnimmt oder abtastet, sondern allein per Gespräch feststellt, ob und wie er helfen kann, dann können wir das genauso gut online. Wir wollen diesen Service nun auch für Patienten in Deutschland verfügbar machen", sagt Wobi.
Einige Patienten gehen nur zum Arzt, um ein Folgerezept zu holen, ohne dafür eine Untersuchung wahrzunehmen. Diesen Prozess will Fernarzt.com vereinfachen und dem Hausarzt wertvolle Zeit sparen, die er für die Behandlung von anderen Patienten vor Ort nutzen kann. Das Geschäftsmodell von Fernarzt.com funktioniert wie DrEd, das ebenfalls in Deutschland Telemedizin anbietet.
Wie eine telemedizinische Behandlung aussehen kann, zeigt die Landesschau Baden-Württemberg:
Viele europäische Länder sind im Bereich digitale Gesundheit und Telemedizin Deutschland weit voraus. In der Schweiz ist das Modell seit 17 Jahren etabliert. Der Anbieter Medgate beispielsweise hat nach eigenen Angaben täglich bis zu 5000 Patientenkontakte. In Estland werden seit dem Jahr 2008 elektronische Patientenakten genutzt. Über 98 Prozent der Verschreibungen von Medikamenten erfolgen elektronisch, in Schweden sind es derzeit 90 Prozent und in England etwa 60 Prozent. Höchste Zeit für Deutschland, hier aufzuholen.
Fernarzt.com umgeht das deutsche Gesetz
Dr. Franz Bartmann, Vorsitzender der Telematikausschusses der Bundesaärztekammer sagt, dass anders als oftmals vermutet, die Fernbehandlung auch nach der jetzigen Regelung der (Muster-)Berufsordnung für Ärzte in Deutschland nicht generell verboten ist. Die Voraussetzung für telemedizinische Versorgung von Patienten sei aber, dass die Patienten der Ärzte bereits bekannt sind, das heißt ein direkter Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden hat. "Aktuell diskutieren wir, ob künftig Beratung und Diagnosestellung auch über Bildschirm und Telefon möglich sein soll, ohne dass die betroffenen Patienten vorher die Praxis aufsuchen müssen", sagt Bartmann. Weil jeder Patient individuell ist und bei Immungeschwächten etwa auch harmlose Infekte schlimme Folgen haben können, liegt letztlich die Verantwortung beim Arzt. "Es würde auch zukünftig immer in der Verantwortung und Beurteilung des Arztes bleiben, darüber zu entscheiden, ob eine ausschließliche Fernbehandlung in Frage kommt oder nicht", sagt Bartmann.
Bis in Deutschland tatsächlich das Gesetz der Fernbehandlung gelockert wird, greift Fernarzt.com auf zugelassene Ärzte in Großbritannien zurück. Die Ärzte in London dürfen nach EU-Richtlinie zur Dienstleistungsfreiheit ihre Services EU-weit anbieten. Die Ärzte aus London sind beim General Medical Council registriert, das ist vergleichbar mit der Bundesärztekammer. Sie verschreiben ausschließlich deutsche Originalmedikamente. "Es ist möglich, Fernarzt unregelmäßig zu nutzen. Am Ende jedes Fragebogens erkundigen wir uns, ob der Hausarzt zur Behandlung über Fernarzt informiert werden soll", erklärt Wobi.
Zum Thema Datenschutz ist das Start-up ebenfalls gewappnet. Die Patientendaten werden im Rahmen der Datenschutz-Grundverordnung sicher erhoben und gespeichert. Es werden nur die für die Behandlung notwendigen Daten abgefragt, die im relevanten Umfang und anonymisiert an die beteiligten Parteien der Services übermittelt werden.